Die 300 Jahre alte Verbindung zwischen Bayern und Osmanen, die kaum einer kennt!

Tausende von Bayern wissen nichts von ihren osmanischen Vorfahren. Selbst dass ihre Familien typisch türkisch-bayerisch lauten, ist ihnen nicht bekannt. Darunter existieren die Nachnamen wie Christ, Türk, Liebgott, Aly, Alisch, Sulimann, Ostmann, Ossmann, Auerbacher, Neumarkter und Weissenburger. Welches türkische Erbe noch geblieben ist und wo die Wurzeln liegen, liest sich sehr interessant und vielleicht für viele unglaublich. 

Die Namensliste von den noch bekannten Beutetürken hier --->



Kurfürst Max Emanuel

In den Jahren 1683 und 1686 stellte sich der junge Kurfürst Max Emanuel an die Seite des Habsburger Kaisers. Als streitbarer Kreuzritter kämpfte er mit 11 000 Soldaten und 12 Geschützen das Kaiserreich gegen den Einmarsch des osmanischen Heeres. Nach der erfolgreichen Unterstützung der „Heiligen Liga“ in Wien, brachte er drei osmanische Janitscharen (Elitesoldaten des Sultans) mit. Diese mussten gefesselt in seinem Triumphzug nach München hinter dem Fürsten laufen.



Der erste Weg führte die beiden Osmanen ins Zuchthaus. Das geschah aus einem einfachen Grund – man wusste nicht, wozu die beiden Muslime nützlich sein sollten. Um einen Nutzen zu ziehen wurden sie dem Sultan gegen Lösegeld oder im Austausch gegen eigene Gefangene angeboten. Doch der osmanische Hof lehnte ab, weil in dieser Zeit bereits Korruption bei den Elite-Soldaten an der Tagesordnung war. So waren die Janitscharen-Eliten auch fleißig dabei, Ämter an Bauern, Händler und Arbeitslose zu verkaufen. Sie ließen sich auch für ihre Dienste im Krieg bezahlen. Einer dieser Beute war ein junger Bauer von 30 Jahren aus Babadag in Rumänien und der andere ein fünf Jahre älterer Händler aus der Region um Ägypten. Sie waren dem Sultan nichts wert. Der dritte Janitschar ist aus den schriftlichen Quellen verschwunden. Sie verbrachten ein gutes Jahr weiter im Zuchthaus und waren fast tot, als die Entscheidung fiel, sie zu Bediensteten zu machen – dafür mussten der lange und der kurze Achmed, wie sie genannt wurden, den christlichen Glauben annehmen. Der lange Achmed aus Babadag hieß ab sofort Anton Achmed und der kurze Achmed wurde Franz getauft. Anton bekam eine Stelle bei der Kurfürstin und war nun Sänftenträger. Er begleitete überlieferten Schriften zufolge den Kurfürsten bis in sein Exil. 

1686 und 1688: In folgenden Türkenkriegen kamen weitere 800 Beutetürken in Bayern an. Im Jahr 1686 wurden 300 Türken aus Ofen (Buda) im heutigen Ungarn und 1686 der Rest aus Alba (Belgrad) im heutigen Serbien nach Bayern gebracht. Die meisten waren noch Kinder und Jugendliche von 3 bis 17 Jahren. Alle kräftigen Jungen und die schönsten Mädchen wurden wie Ware oder Vieh verkauft. Für eine schwangere Beutetürkin musste der Käufer den Preis von einem Zentner Zucker bezahlen. Doch auch als fürstliche Geschenke bei Hofe in Europa waren sie als Sänftenträger und exotische Diener höchst beliebt. So entstanden völlig neue Berufe in dieser Zeit. 

Es existieren nur wenige Quellen von den Beutetürken aus Belgrad. Doch die 300 Gefangenen aus Buda bestanden aus einer großen Anzahl traumatisierter Kinder in Begleitung eines Muftis. Als sie im bayerischen Wasserburg ankamen, um ein paar Tage dort zu verweilen, waren sie die Attraktion. Danach brachen Sie zu einem 3-Tage-Fußmarsch nach München auf. Diese Hinweise darauf sind in den Matrikeln und Tagebüchern des Klosters Attel, dem bayerischen Staatsarchiv und der Münchner Frauenkirche zu finden. Dank dieser Aufzeichnungen kann man ein paar Schicksale verfolgen und erfahren, wo sie Unterkunft bekamen und welche Arbeiten sie verrichten mussten. Aus diesen Quellen stammen auch die Daten der Taufen. Diese waren damals in Bayern genauso beliebt wie eine Hinrichtung. Sie versprachen nicht nur dem Täufling und dem Taufpaten ein Heil für die Seele. Die Taufe war damals ein wichtiges Mittel zur Integration und kann heute mit einer Einbürgerung verglichen werden, sobald der Bürger in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wurde. Deshalb verwischen sich die Spuren der meisten Beutetürken spätestens nach der zweiten Generation. 

Es gab sechs Kulturwanderungen der Beutetürken von Wasserburg, Attel und über Ebersberg nach München und wir erfahren durch Aufzeichnungen von den Schicksalen der einzelnen Kriegsgefangenen. Kurfürst Max Emanuel von Bayern – der Mavi kral (türkisch: blauer König) oder der blaue Kurfürst – führte das erste beheizte Bad in Bayern ein. Auch die erbeuteten Türken trugen viel zur Veränderung der neuen Heimat Bayern bei. Neben türkischer Mode, Gewürzen und Speisen eroberte der türkische Kaffee das Bayernland. Das wunderschöne Schloss Schleißheim bewahrt als Denkmal des blauen Kurfürsten die monumentalen Gemälde der einzelnen Schlachten seiner erfolgreichen Feldzüge gegen die Türken, die für die heutige Nachwelt überaus wertvoll sind. 

Unter neuen christlichen Namen, die noch kleine Hinweise auf die türkische Herkunft gaben, konnten sich die meisten zwangsgetauften Beutetürken recht bald freie Menschen nennen und waren keine Sklaven mehr. Sie ließen sich in kleinen Orten oder Städten in Bayern nieder. Dazu zählen Mühldorf am Inn und Attel in Oberbayern, in Handelszentren wie Augsburg, Nürnberg Landshut, und auch in Bistümern wie Freising, Passau oder Würzburg. Es dauerte nur wenige Jahrzehnte bis zur Assimilation dieser Türken. Gesellschaftlich etabliert sind die Bayern türkischer Herkunft in allen Berufen, in der katholischen Kirche und im Hochadel zu finden. Ihre Ahnentafeln beginnen exotisch und enden typisch bayerisch. 

Doch nicht nur dieses Ereignis zeugt von bayerisch-türkischer Verbindung. Der Erste Weltkrieg gehört zu historischen Ereignissen, in denen bayerische Soldaten im osmanischen Reich als Türkei Veteranen in die Geschichte eingegangen sind. Der Zweite Weltkrieg hinterließ Zeugen über die Verfolgung der Nazis von bayerischen Wissenschaftlern und Intellektuellen, die in der Türkei eine neue Heimat fanden und dort hohe Stellen in der türkischen Verwaltung bekleideten oder an Universitäten als Dozenten lehrten. 

Quellen: Bayerischer Rundfunk, OVB Online, Abendzeitung, Markus Krischer „Der Mann aus Babadag“


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