Das Geschäft mit der Angst vor Erdbeben in der Türkei
Es gibt in den Social Media Plattformen immer mehr Menschen, die Geschäfte mit der Angst von Menschen machen und angeblich Beben vorhersagen können - was völliger Irrsinn ist. Selbst die heutige Wissenschaft kann nur Prognosen stellen, aber nicht hellsehen. Es gibt bis heute keine Methode um Beben vorauszusagen. Deswegen ist es mir - speziell, was die Türkei betrifft - ein Anliegen, ein wenig Klarheit zu schaffen. Besonders über den Kreta Graben und den Hellenischen Graben möchte ich heute etwas veröffentlichen.
Ich hatte zig Diskussionen mit jemandem, der genau in der Region des Grabens und der türkischen Küste dort, Beben "hellsehen" wollte und lange nicht begriffen hat, dass es normal ist. Es gibt eine Bebenkarte der Bogazici Universität, die jeder monatlich, bis ins Jahr 2003 Januar, zurückblättern kann. Danach kam der Spruch: "Jetzt bin ich ratlos". Was klar ist, denn die Karten aller Monate seit über 20 Jahren sehen fast immer gleich aus. Das hat wissenschaftliche Gründe, die weiter unten für meine Region erklärt werden.
Wer sich in der Türkei niederlässt, weiß das, doch gibt es auch immer wieder Missverständnisse, wenn es einmal "wackelt". Nicht immer ereignet sich genau dort das Beben, sondern Luftlinie hunderte von Kilometern weit weg. Je größer es ist, um so weiter fühlt man die Ausläufer. Die türkische Westküste mit den vorgelagerten griechischen Inseln erlebt es relativ oft, wenn sich Seebeben zwischen dem Bereich der Insel Kreta bis hinüber an die türkische Küste bemerkbar machen. Das hat einen bestimmten Grund, den ich seit Jahren immer wieder erkläre, denn das Mittelmeer hat dort seine tiefste Stelle und auch Aktivitäten durch aktive Vulkane.
Kretisches Segment des Hellenischen Grabens
Südlich von Kreta verläuft der Kretische Graben (Ptolemaios‑Graben) als östlicher Fortsatz des Hellenischen Grabens, parallel zur Südküste der Insel, mit Wassertiefen von bis zu etwa 3 000 m. Unter der Insel tritt die Subduktionszone in einer Tiefe von rund 20–50 km in Erscheinung, was sich in intermediären Erdbebenhäufungen widerspiegelt
Seismische Aktivität auf Kreta
Auf Kreta selbst dominieren nicht die Tiefsee-Beben, sondern flache Bruchzonen im Oberkrustenbereich: Ierapetra‑Störung (Südküste) und Arkalochori‑Bruch (Zentral‑Kreta) sind aktive Normal‑Fehler, die wiederholt Erschütterungen bis Magnitude 5–6 erzeugen
Zusätzliche, kleinere Störungen finden sich im Westen und im Südwesten der Insel, z. B. im Bereich des Messara‑Senkgrabens.
Vulkanismus
Kreta selbst liegt außerhalb des eigentlichen Südlichen Ägäischen Vulkanbogens, der in einem Radius von etwa 200 km nördlich der Insel verläuft. Die Insel weist daher keine aktiven oder historisch bezeugten Vulkane auf; jedwede geothermale Aktivität beschränkt sich auf natürliche Thermalquellen (z. B. Psychro) und – nur submers – hydrothermale Felder in den vorgelagerten Bächen
Der Hellenische Graben (Hellenic Trench) ist die Tiefsee-Senke, die sich südlich der griechischen Inseln entlangzieht und die Subduktionszone markiert, in der die Afrikanische Platte unter die Eurasische (Aegeische) Platte abtaucht. Er gliedert sich im Osten in drei Hauptteilabschnitte – den Ionischen Graben im Westen, den Kretischen Graben südlich von Kreta und die Pliny‑Strabo‑Gräben östlich von Rhodos – und erreicht an seiner Oberkante eine Wassertiefe von über 4 000 m
Diese Subduktionszone ist eine der erdbebenaktivsten Regionen Europas: Sowohl flache Verwerfungserdbeben an der Plattengrenze (interplate thrust events) als auch Intermediate‑Depth‑Beben im abtauchenden Keil treten mit magnitudenstarken Erschütterungen (häufig M 6 bis 7) auf. Die seismische Aktivität ist das Ergebnis starken Plattenrückrollens („slab rollback“) und der daraus resultierenden Rückseiten‑Extension des Aegeischen Beckens
Im Osten endet der Hellenische Graben an der türkischen Festlandküste nahe der Bodrum‑Halbinsel im Südwesten Anatoliens – hier übersetzt sich die Subduktion in komplexe Transform‑ und Extensionsstörungen, die an das tektonische System Westanatoliens anschließen
Entlang dieser Subduktions- und Bogenregion liegt der Südliche Ägäische Vulkanbogen, dessen Vulkane sich von der Korinthischen Landenge bis zur Bodrum‑Halbinsel erstrecken. Zu den in historischen Zeiten aktiv gewesenen Vulkanen zählen insbesondere
Santorini (Nea Kameni) – bekannt für den katastrophalen Minoischen Ausbruch
Nisyros – mit mehreren historisch bezeugten Eruptionen
Kolumbo (submariner Krater nordöstlich von Santorini)
Diese drei halten bis in die jüngste Vergangenheit hin Signale vulkanischer Unruhe aufrecht. Daneben finden sich zahlreiche ruhende bzw. inaktive Vulkanzentren, etwa
Sousaki
Aegina
Methana
Milos
Yali
Akyarlar
Kos
Die letztgenannten stellen monogenetische bzw. polygenetische Vulkanfelder dar, die seit Jahrtausenden keine Ausbrüche mehr gezeigt haben und heute als weitgehend erloschen gelten
Quellen:
ScienceDirect, Wiley Online Library, SpringerLink, Oxford Academic, Wikipedia