Auswanderinnen in der Türkei - plötzlich allein in der Fremde




Besonders im Rentenalter wandern auch viele alleinstehende Frauen in die Türkei aus. Die Rente reicht in Deutschland meist zum Leben nicht und auch nicht zum Sterben. Sie suchen sich einen schönen Platz in der Sonne und freuen sich wieder ihres Lebens. Doch nicht nur sie leben allein, auch Frauen, deren Männer in der Türkei versterben sind dabei, die sich zum Bleiben entschließen.

Anfangs ist alles neu und aufregend, es gibt so viel zu tun, bis man sich häuslich eingerichtet hat und auch viel zu entdecken. Man lernt viele Menschen, meistens Landsleute kennen und es scheint, als wäre das Leben wieder lebenswert.

Dann kehrt der Alltag ein und ein Teil dieser glücklichen Frauen vereinsamt trotzdem mitten unter den neuen Bekanntschaften, von denen man wenig weiß und die ihr eigenes Leben leben.

Ein Teil dieser alleinstehenden Frauen Richtung Rentenalter oder im Rentenalter aus Europa ist scheinbar gefährdeter als andere Auswanderinnen, nicht nur der Einsamkeit, sondern auch dem Alkohol gänzlich zu verfallen.

Es sind meistens labile Frauen, die einer Generation angehören, die bestimmte Rituale wie Einladungen zur trinkfreudigen Geburtstagsfete im Bekanntenkreis rundum oder Grillabende mit einem festen Freundeskreis gewöhnt waren und eine gewisse "Trinkkultur" als normal empfinden. Abende bei denen es lustig und feuchtfröhlich zuging und ein Bierfässchen nach dem anderen angezapft wurde und man mehr oder weniger angeheitert nach Hause ging, gehörten im Heimatland zum Leben, genau wie die langjährigen Freunde.

Die Frauen merken nach der Auswanderung schmerzlich, wie die Zeiten sich geändert haben. Diese Freundschaften von damals kann man nicht wiederholen, diese Bekanntschaften sind meistens oberflächlich und eher erzwungene Zweck- und Nutzgemeinschaften in der Fremde. Jeder von uns Auswanderern kennt diese "Vereinsmeier", die dir heute schön ins Gesicht lachen und wenn sie einen anderen Dummen gefunden haben, den sie benutzen können, nur noch schlecht hinter deinem Rücken tuscheln.

Diese neuen Zeiten sehen jetzt nach außen hin zwar ähnlich aus wie die alten, doch es ist nicht dasselbe. Die guten, alten Freunde sind nicht mehr da und die gleiche Bindung an den neuen Bekanntenkreis findet so manche Frau nicht mehr. Auch wenn es nach aussen hin so scheint, innen drin bleibt man einsam. Nachts, wenn man zurück kommt,ist die neue Wohnung still und fremd oder das Haus, in dem man die ersten Jahre der Auswanderung mit dem verstorbenen Mann eine glückliche Rentnerzukunft zu zweit geplant hatte und ist nun einsam und leer.

Ich habe es mehrfach erlebt, dass bei Frauen, die voller Elan ihre Auswanderung mit über 50 oder auch noch mit fast 70 Jahren planten, nach einigen Jahren der komplette Absturz kam. Spätestens, wenn man immer wieder von anderen Deutschen hörte "Kennst du die? Die läuft ja nur noch angetrunken herum", wird deutlich, dass einsame Auswanderinnen nicht selten auch zur Flasche greifen, um diese Leere, die sie spüren, zu betäuben.

Dabei ist es völlig egal, aus welchen Schichten sie kommen, ich habe von verwitweten Hausfrauen über ehemalige erfolgreiche Geschäftsfrauen bis hin zu älteren brillanten Musikerinnen einige gesehen, die ihr Alkoholproblem nicht mehr verbergen konnten.

Leider sind die Geschichten, die das Leben schrieb, in solchen Fällen weniger prickelnd und oft sehr traurig. Die Fälle sind echt, die Namen geändert.

So wie bei der lebenslustigen Margot, die zwar einen Ehemann hatte, aber wegen seiner Krankheit so depressiv wurde, bis sie nicht mehr aus dem Haus ging und zu Hause trank. Nachdem auch er schwer krank wurde, waren beide hilflos. Sie ließ ihren Mann plötzlich alleine. Sie stürzte unter Alkoholeinfluss im Haus und verstarb im Krankenwagen auf dem Weg zum Krankenhaus.

Oder das Leben der Geschäftsfrau Lore, die ihren Mann drei Jahre nach der Auswanderung in der Türkei beerdigen musste. Seitdem gab sie sich dem Alkohol mehr und regelmäßig hin und die ganze Auswanderergemeinde redet über sie und sie weiß es nicht einmal.

Genauso wie die begabte Musikerin Uschi, die von ihren Landsleuten hinter vorgehaltener Hand als Schnapsdrossel bezeichnet wird, weil sie immer wieder, fast manisch ihre Gehässigkeiten gegen Alles und Jeden zum Besten gibt, die den anderen langsam peinlich sind, nur jenen nicht, denen gar nichts peinlich ist.

Noch trauriger der Fall von Lucie, die durch ihre herrische Art und ihren Hang, sich nur mit Männern anfreunden zu wollen, weil sie Ratschläge von Frauen nicht akzeptiert, allein blieb. Nach und nach vergraulte sie immer wieder neue Bekanntschaften und hatte bis auf einen türkischen "Berater", der ihr ganzes Geld unter seine Fittiche nahm, niemanden mehr. Sie ist Zuckerpatientin und schaltete, je nach Bierbedarf an ihrer Insulinpumpe herum, bis es zu einem Vorfall kam, der lebensgefährlich war. Sie wollte sich in hohem Alter noch einmal beim Schönheitschirurgen unters Messer legen und ließ morgens bei der Anreise ihre lebenswichtige Insulinpumpe ganz weg, weil sie nüchtern kommen sollte. Auf halbem Wege fiel sie ins Koma mit Schaum vor dem Mund und wurde in die Notaufnahme gebracht und gerettet.

Zwei davon bauen den unendlichen Frust regelmässig in sozialen Medien ab, weil Sie denken, die virtuelle Gemeinschaft, die eigentlich keine ist, kann diese Leere füllen, die sie spüren. Sie merken nicht, dass sie in einer Filterblase leben und die Realität an ihnen völlig vorbei geht. Gehässigkeiten sind bei vielen der Frauen mit einem Alkoholproblem hier an der Tagesordnung, das ist alles, was ihnen geblieben ist. Und das macht es immens schwer, einen neuen Anfang zu machen.

Das sind nur ein paar Schicksale von einsamen Auswanderinnen in der Türkei, denn Fakt ist einfach, dass sich 99.9 Prozent der neuen Bekannten eines Tages wegen diesem Alkoholproblem verabschieden und sie ganz allein sind.

Was dann?

Ich weiß, dass ganz viele Deutsche hier die Alkoholregelungen verteufeln, doch wenn man diese Schicksale kennt, ist es dann noch wert, ein Wort darüber zu verlieren? Man sieht eindeutig, dass Alkohl Menschenleben zerstört und das auf grausame Weise. Je länger ich darüber nachdenke, um so mehr wird mir persönlich klar, dass sich die meisten Menschen nicht im Klaren sind, dass Alkohol ein ganz gefährliches Suchtmittel ist. Vor allem, wenn es schlimme Veränderungen im Leben gibt und der Mensch labil ist.